Dr. Housamedden Darwish hat ab  September 2015 bis Juni 2016 als Integrationshelfer mit halber Stelle im Sozialamt Wermelskirchen gearbeitet. Er ist jetzt Gastdozent für Philosophie an der Universität Köln. Im Gespräch mit Cornelia Seng, Pfarrerin und Koordinatorin von „Willkommen in Wermelskirchen“, erzählt er von seinen Erfahrungen und was die Willkommenskultur für ihn bedeutet. 

 

Cornelia:

Lass uns über den Anfang reden. Du bist im August 2014 mit Anan, deiner Frau, nach Wermelskirchen gekommen, – im Oktober 2014 war der Start unsere Initiative ‚Willkommen in Wermelskirchen‘. Für die Tage nach Weihnachten haben wir gleich ein ‚Fest der Begegnung‘ geplant.

Bei diesem  ersten ‚Fest der Begegnung‘ nach Weihnachten 2014 im Pfarrzentrum St. Michael wollte ich eine etwas grundsätzliche Begrüßungsrede halten. Und ich brauchte jemanden, der mir die kleine Rede vom Englischen ins Arabische übersetzt. Und dann beim Fest mündlich vorträgt.
Ich hatte gehört, dass es im Lindenweg ein Ehepaar gibt, das in Frankreich und England studiert hat. Deshalb bin ich zu Euch in den Lindenweg gefahren. Nachmittags um vier Uhr gab es bei Euch Pommes frites und Hähnchen, was für mich mit meinem geregelten deutschen Tagesablauf ziemlich merkwürdig war.
Aber Ihr habt sofort und begeistert eingewilligt und mich sehr unterstützt.
Beim ‚Fest‘ habe ich die Rede in Deutsch und in Englisch gehalten und Elmazé hat sie in Serbo-Kroatisch und Anan in Arabisch übersetzt.

Das war der Anfang der Willkommenskultur in Wermelskirchen.

Es war toll, wie Einheimische und Flüchtlinge, dieses ‚Fest der Begegnung‘ miteinander gefeiert haben. Die Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen war aufregend und spannend.

Ich habe das Miteinander sehr genossen, mit Menschen vom Balkan, Albanern und Roma, auch mit jungen Eritreern und Euch Syrern. Ich muss zugeben, am Anfang hatte ich auch Bedenken und Befürchtungen so vielen ‚Fremden‘ gegenüber. Aber das Fest war für mich so etwas wie der Beweis, dass die Bedenken unbegründet waren.
Als Menschen konnten wir fröhlich miteinander essen und feiern. Und das hat gut getan.

Was sind Deine Erinnerungen an diese erste Zeit?

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Housam: 

Mein Gedächtnis nicht eigentlich nicht gut, aber an das „Fest der Begegnung“ und unser erstes Treffen erinnere ich mich sehr gut. Am Ende des Festes hat mich ein Journalist interviewt und gefragt, was ich denke und fühle über diesen Nachmittag.

Meine Antwort war sehr ehrlich: „Es ist das erste Mal, dass ich mich ein bisschen ‚zuhause‘ fühle.“ Natürlich hatten wir auch vorher schon sehr freundliche, liebenswürdige Menschen kennen gelernt: Reinhild Prinz, Harald Bergerhoff, Brigitte Krips und all die Mitarbeiter der Tafel. Trotzdem fühlten wir uns etwas verlassen und isoliert an dem für uns neuen Ort und in einer fremden Gesellschaft.

Wir haben irgendwie immer gefühlt, dass wir Flüchtlinge und Fremde sind und dass wir den Menschen im Allgemeinen gleichgültig waren. Wir machen ihnen deshalb keinen Vorwurf, aber wir haben uns auch nicht wohlgefühlt in dieser Situation.
Mit dem Beginn der Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ hat sich das radikal geändert. Die Begegnung mit Dir und das Miteinander auf dem „Fest der Begegnung“ war der Anfang dieser radikalen Veränderung. Nach diesem Ereignis haben wir uns nicht mehr nur als Flüchtlinge gefühlt.
Wir haben gespürt, dass wir Menschen auf Augenhöhe sein können. Und dass unsere verletzte Menschenwürde wiederhergestellt werden kann.
Ich habe gespürt, dass das „Fest der Begegnung“ und der Beginn der Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ der Startschuss zu einer sehr vielversprechenden Beziehung zwischen den Flüchtlingen und der Bevölkerung in Wermelskirchen sein kann.
Die Zeit hat gezeigt, dass ich mich nicht geirrt habe. Das „Fest der Begegnung“ und die Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ verkörpern die Willkommenskultur par excellence.

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Cornelia:
Zu der damaligen Zeit ging es Euch persönlch als Flüchtlingen in Deutschland ja schon relativ gut. Ihr hattet schon eine eigene, private Wohnung, Ihr habt schon einen Deutsch-Kurs der VHS besucht:  Sprich das normale Programm, das die Behörden in Deutschland für Flüchtlinge vorsehen, vielleicht noch ein bisschen mehr.
Ich habe noch nicht ganz verstanden, warum diese Begegnung für Dich so wichtig war.
Kannst Du etwas mehr beschreiben, warum das Fest für Dich eine „radikale Veränderung“  war?

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Housam:
In dieser Zeit waren wir mehr oder weniger (nur) Flüchtlinge. Tatsächlich waren wir damals noch nicht mal als Flüchtlinge akzeptiert. Es hat weitere 15 Monate gedauert, bis ich, Anan und Remy tatsächlich die Anerkennung als Flüchtlinge hatten.
Damals waren wir hier eher Fremde. Der Bevölkerung schienen wir gleichgültig zu sein, bis auf die Ausnahmen von denen ich oben gesprochen habe. Wir spürten immer noch das Risiko, abgelehnt zu werden und auch von der Gesellschaft zurückgewiesen zu werden und auf offizielle Anweisung des BAMF nach Spanien zurückgeschickt zu werden. Natürlich haben auch die offiziellen Stellen am Ort, die Ausländerbehörde und das Sozialamt uns nach Möglichkeit geholfen.
Und wir hätten ohne diese Hilfe ja nicht mal überleben können.

Aber sie haben ihren Job gemacht, als Job eben, nicht mehr als das. Zum Beispiel haben sie uns nicht helfen können, einen Arzt zu finden, einen Zahnarzt oder einen Rechtsanwalt, weil das nicht ihre Aufgabe ist. In ihrer Position ist es nicht möglich, einen Arzt zu empfehlen. Das war für uns als Fremde absurd, weil es für uns fast unmöglich war, einen Arzt oder Rechtsanwalt, etc. zu finden.
Das Fest der Begegnung war deshalb vor allem ein totaler Wechsel, weil wir jetzt die Möglichkeit hatten, sehr nette und freundliche Menschen kennen zu lernen, die uns  aus Nächstenliebe, Menschenfreundlichkeit und von ganzem Herzen halfen.

Ihre ehrenamtliche Arbeit war nicht nur ein Job oder eine Pflicht. Sie haben das aus Liebe und Mitgefühl, Empathie, gemacht. So ist der Kontakt mit ihnen mehr und mehr zu einer Freundschaft geworden.
Durch diese Beziehungen waren wir jetzt nicht mehr nur Flüchtlinge, wir waren jetzt wieder Menschen,  Mitmenschen in unserer neuen Gesellschaft.

Das Gespräch wurde in deutsch und englisch geführt per E-Mail und WhatsApp. Weitere Gesprächsthemen waren die Menschenrechte und das Gelingen der Integration.