So will ich Deutschland nicht! Von Cornelia Seng
Der Irrsinn nimmt zu!!
Am Mittwochabend wurde ich zum Gemeindehaus gerufen: Ein junger Mann brauchte Hilfe. Er lebt seit einem Jahr in Deutschland, geht vormittags zum Berufskolleg und nachmittags zur VHS. Er kann mir sein Anliegen auf Deutsch schon ganz gut erklären.
Nach fast einem Jahr in Deutschland wurde er letzte Woche von einem Aufgebot der Polizei und Mitarbeitern der Ausländerbehörde abgeholt, nach Düsseldorf gefahren, ins Flugzeug gesetzt und nach Rom geflogen. Weil er „über Italien gekommen ist“, wie man sagt, und dort zuerst registriert wurde.
Für das BAMF ist er deshalb „Dublin III“, Deutschland sieht sich als nicht zuständig für sein Asylverfahren.
Die Polizei in Rom wiederum hat ihm sieben Tage Zeit gegeben, um das Land wieder zu verlassen: Fünf Jahre Einreiseverbot, bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstafe von bis zu Zwanzigtausend Euro. Mit dem Flixbus ist er wieder zurück nach München gefahren. Wieder Fingerabdrücke. Er müsse ins Erstaufnahme-Camp in Bochum, sagt die Polizei. In Bochum sagen Sie, er müsse nach Bielefeld. In Bielefeld sagen Sie, er müsse nach Hannover. Hannover schickt ihn zur Ausländerbehörde nach Berg. Gladbach. Berg. Gladbach zurück nach Wermelskirchen. Aber nach diesen Tagen war sein Zimmer geräumt. Nichts mehr da.
Was hat das alles gekostet? Haftet der Bundesinnenminister eigentlich persönlich für die Kosten dieses Wahnsinns? Abgesehen davon, dass wieder ein junger Mensch verunsichert wurde, noch einmal heimatlos gemacht wurde.
Inzwischen hat er wieder ein Zimmer. Anfang der Woche soll er Geld in Form von Gutscheinen bekommen. Offen ist, ob er ganz von vorne anfangen muss: Einen neuen Asylantrag stellen muss, wieder Monate in einem Erstaufnahmelager zubringen muss und – wenn er Glück hat, wieder einer Kommune zugewiesen wird. Und dann einen neuen Deutschkurs findet und neue Freunde.
Was wäre eigentlich passiert, wenn der Bundesinnenminister die Grenze schon letzte Woche geschlossen hätte? Hätte sich Österreich freundlicherweise bereit erklärt, ihn aufzunehmen? Sicherlich nicht.
Wollen wir das wirklich alles so?
Mir scheint das ein unwürdiges Geschacher, nur um Flüchtlinge um jeden Preis loswerden zu wollen. Ein Abschiebewahn.
Wieviel früher würde Integration gelingen, wenn wir Menschen dieses Karussell ersparen würden!
Stoppen Sie Dublin III, Herr Bundesminister! Beenden Sie den Abschiebewahn! Alle Asylanträge von Menschen, die vor dem 1.6.2018 schon länger als ein halbes Jahr in Deutschland waren, müssen von Deutschland übernommen werden. Natürlich in Absprache und mit Einverständnis der europäischen Nachbarländer. Das alleine ist „wirkungsgleich“!
Ich will ein Deutschland, das seiner globalen, humanitären und christlichen Verantwortung gerecht wird. Und ich will Solidarität in Europa.
Ich muss niemanden „loswerden“ um jeden Preis. Ich lebe gut und fröhlich mit den Flüchtlingen an unserem Ort. In Wermelskirchen wird die Zuwanderung als eine Bereicherung erlebt. Sie lässt uns unsere Menschlichkeit neu erfahren.
Ich will Asylpolitik als Umsetzung der Menschenrechte!
A. ist übrigens aus Syrien, hat neun Jahre die Schule besucht, spricht ganz gut Englisch und hat Erfahrungen als Elektriker. Er will nichts sehnlicher als arbeiten, ein eigenes Einkommen und irgendwann ein Auto haben. Er will ein ganz normales Leben, mehr nicht.
Und ich will ein Deutschland, das ihm das ermöglicht!
„Injustice anywhere is a threat to justice everywhere!“ (Martin Luther King)