VON YASSMIN MURAD (18)
Einmal saß ich an einer Bushaltestelle neben einer älteren Frau. Während wir auf den Bus warteten, schaute sie mich schweigend von der Seite an. Ich trug eine Jeans und T-Shirt, wie die meisten an meiner Schule, meine langen Haare fielen offen über meine Schultern. Plötzlich sagte die Frau zu mir: „Ich war auch schon einmal in einer Moschee.“
Ich denke, dass diese Frau etwas Nettes sagen wollte, sie wollte offenbar eine Verbindung herstellen. Trotzdem fand ich es kurios, dass sie aufgrund meines Äußeren selbstverständlich davon ausging, ich sei eine gläubige Muslima. Ich trage keine erkennbaren Zeichen, die fremde Menschen auf meine inneren Überzeugungen schließen lassen. Trotzdem bin ich in einer Schublade gelandet, und das fühlt sich meistens nicht so gut an.
Dieser Text erschien 2021 in der 19. Ausgabe der Zeitung „Neu in Deutschland“. Das, Neu in Deutschland (nid), ist ein Projekt, zunächst in Bochum von der Publizistin Dorte Hunecke-Nollmann ins Leben gerufen, das seit mehr als fünf Jahren Texte von Flüchtlingen versammelt und in einer Zeitung publiziert. Die Autoren sind neu in Deutschland. Im Februar 2016 erschien die erste nid-Ausgabe für eine noch sehr kleine Öffentlichkeit in Bochum. “Wie haben gezittert! Weil wir nicht wussten, wie die Menschen auf unsere Texte reagieren würden und weil die meisten von uns kaum Deutsch sprachen.” So zu lesen im Editorial zum fünfjährigen Jubiläum. Rund 100 Menschen haben seit 2016 aktiv an „nid“ mitgewirkt. Das Projekt wächst. “Wir alle sind im Zuge der Arbeit eigenständiger und selbstbewusster geworden, nun schreiben Menschen aus verschiedenen Teilen Deutschlands an „nid“ mit.” Die Gründer des Projektes und die Autoren von Neu in Deutschland können sich mittlerweile über Förderungen und Preise freuen, über Zuwendungen, großes Lob und viele Anregungen.
“Nicht zu Hause rumsitzen, nicht verzagen: Wir tragen unsere Texte ins Theater, in den Live-Stream und auf andere Bühnen, führen Gespräche und werden nicht müde, gegen Vorurteile und Ressentiments anzuschreiben.” Gut so.
Am kommenden Montag lesen Autoren von Neu in Deutschland online im Rahmen einer Zoom-Veranstaltung von Willkommen in Wermelskirchen ab 19:30 Uhr. Da der 8. März zugleich Internationaler Frauentag ist, werden vor allem Texte von Frauen gelesen werden, vielleicht auch einige über Frauen. Mädchen und Frauen stehen jedenfalls im Mittelpunkt der ersten Lesung von Willkommen in Wermelskirchen. Alle sind herzlich eingeladen, Flüchtlinge, Dellmänner, Männer, Frauen und Mädchen, Rheinländer, Bayern, alle.