Wir schaffen das (immer noch)!

Einen Kölner Gegenentwurf „zur restriktiven und diskriminierenden Flüchtlingspolitik auf Bundesebene“ stellt der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen jetzt mit seinem Positionspapier „Für eine humane Aufnahme- und Integrationspolitik“ vor. Der Runde Tisch stellt sich gegen die populistisch geführte Debatte über Flüchtlings- und Integrationsfragen.

„Wir erleben ein Erstarken von rechten und nationalistischen Parteien, die gegen geflüchtete Menschen und eine humanitäre Geflüchteten-Politik agieren und agitieren“, so Sprecher Peter Krücker vom Kölner Katholikenausschuss. „Und auch, dass beinahe alle Parteien Teile von rechten Positionierungen übernehmen.“ „Es ist uns wichtig, für Köln einen Gegenentwurf zur restriktiven und diskriminierenden Flüchtlingspolitik auf Bundesebene zu präsentieren“, so Krücker weiter. Es sei eine Illusion, dass man mit der aktuellen Bundespolitik die gesellschaftliche Situation in Deutschland verbessere.

Die Forderungen

  • Die Fluchtursachen wieder stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit sichtbar machen“ – Bettina Baum, Leiterin des Amts für Integration und Vielfalt der Stadt Köln, betont, dass es wichtig sei, die Bürgerinnen und Bürger an die schwerwiegenden Gründe von Flucht zu erinnern: Menschen würden nicht einfach eine „freie und einfache Entscheidung“ treffen, wenn sie ihre Heimat verlassen und nach Deutschland kommen.
  • Eine gerechte Verteilung der Geflüchteten einfordern“ – der Runde Tisch fordert, dass die Europäische Union Lösungen für eine gerechte Verteilung nach wirtschaftlichen und sozialen Kriterien auch unter Berücksichtigung der Interessen der Menschen, die Schutz suchen, aushandelt. Pfarrerin Miriam Haseleu vom Evangelischer Kirchenverband Köln und Region argumentiert, dass dadurch Überforderung vermieden und Solidarität verstärkt werde.
  • Das Recht auf Asyl erklären“ – Das Asylrecht werde oft verstanden als „Recht einzuwandern“ und dass Migration ungesteuert verlaufe, dabei sichert es den Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren, um den Schutzanspruch zu prüfen. Bettina Baum dazu: „Wir wollen dazu beitragen, dass die Hintergründe für die Menschen deutlicher werden: Wo sind Möglichkeiten und Grenzen, was wir als Kommune im Bereich Aufenthalt und Asylrecht leisten können.“
  • An die positiven Erfahrungen mit Einwanderung nach Deutschland anknüpfen“ – hier bezieht sich der Runde Tisch auf die Jahre 2015/2016 und 2022. Man habe zum einen die Empathie und Hilfsbereitschaft der Kölnerinnen und Kölner gesehen, so Haseleu. Sie berichtete zudem, dass viele der geflüchteten Menschen sich ehrenamtlich engagierten. Krücker betonte die erfolgreiche Geschichte der Gastarbeiter in Köln. Er sehe zudem viele Potenziale der Geflüchteten, die oft einen hohen Bildungsstand mitbringen und sieht sie als „riesige gesellschaftliche Chance“.
  • Integration und Zusammenleben in der sozialen Stadt verwirklichen“ – Teilhabe solle in allen gesellschaftlichen Bereichen schneller ermöglicht werden, sie sei der Schlüssel zu einer integrativen Stadtgesellschaft, so der Runde Tisch im Positionspapier.
  • Kommunen entlasten“ – die Kommunen brauchen eine finanzielle Entlastung, so Baum, denn die Integration und Teilhabe von Geflüchteten sei komplex, weil sie sich auf alle Lebensbereiche beziehe. Das könnten die Kommunen nur richtig ausgestattet leisten.
  • Sozialen Wohnungsbau fördern“ – Die Forderung: eine konsequente Förderung des sozialen Wohnungsbaus für alle, also für Kölnerinnen und Kölner und für Geflüchtete. Sobald Geflüchtete in einer Wohnung und nicht mehr in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden, gäbe es einen „Integrationsschub“, so Krücker. In einer Unterkunft funktioniere Integration in die Gesellschaft nur beschränkt.
  • Für gute Bildung, Ausbildung und Arbeit sorgen“ – Geflüchtete seien auch eine Chance für die alternde Gesellschaft und den Fachkräftemangel. Dazu müsse an verschiedenen Punkten angesetzt werden, so Haseleu. Wichtig sei die schnellere Selbstbestimmung der geflüchteten Menschen, durch mehr Sprachkurse, die Möglichkeit Arbeit zu suchen und arbeiten zu gehen. Arbeitsverbote seien hinderlich, auch die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen müsse besser laufen.

„Das Positionspapier soll eine neue Sensibilität erzeugen und Augen und Ohren öffnen, in dieser Zeit, in der das Thema sehr populistisch diskutiert wird“, sagt Bettina Baum. Krücker betont: „Das ist keine Gefahr, keine Bedrohung, das ist eine Bereicherung.“

Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen setzt sich seit 20 Jahren in Köln für eine menschengerechte Integrationspolitik auf kommunaler Ebene ein. Seine Mitglieder sind Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen, Ratsfraktionen, der Stadtverwaltung, Wohlfahrtsverbände und Initiativen im Flüchtlingsbereich.
Derzeit arbeitet der Runde Tisch daran, die Gruppe vulnerabler Menschen und deren Bedürfnisse zu unterstützen. In der Vergangenheit seien Erfolge des Runden Tisches wie die Entwicklung von Leitlinien und Mindeststandards in der Unterbringung, eines Gewaltschutzkonzepts sowie die Sicherstellung des Kindeswohl zu verbuchen, so Bettina Baum.

Gerade in Köln wüssten viele Menschen aus eigener Erfahrung, dass für die Wirtschaft Menschen mit Einwanderungsgeschichte unverzichtbar sind. „Mit unserer Arbeit am runden Tisch versuchen wir weiter, den Focus auf Teilhabe und Integration zu lenken. Wir müssen die Berufsabschlüsse geflüchteten Menschen endlich schneller anerkennen und die Vermittlung durch die Arbeitsagenturen vereinfachen. Denn weiterhin arbeiten viele qualifizierte Geflüchtete unter ihrem Ausbildungsniveau“, so Krücker.

Das sei in Bezug auf die Menschen aus der Ukraine gelungen, denn der Überfall durch Russland fand vor den Türen der EU statt und über die Fluchtgründe wurde täglich berichtet. „Die Empathie war riesig. Doch alle Menschen, auch die aus weiter entfernten Ländern, denen hier Asyl gewährt wird, haben existenzielle Fluchtgründe. Denn nur dann wird ihnen im rechtsstaatlichen Verfahren ein Schutzanspruch zugesprochen und Asyl gewährt.“

2024-03-21_RuTi